chlordioxid bei Autismus beworben

Hausdurchsuchung bei Kerri Rivera

Foto Kerri Riviera: MMS-Werbung auf dem Spirit of Health-Kongress 2014 (Screenshot: MedWatch.de)
Kerri Riviera: MMS-Werbung auf dem Spirit of Health-Kongress 2014 (Screenshot: MedWatch.de)

30.07.2021 Wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt die Staatsanwaltschaft Bremerhaven gegen Kerri Rivera. Ein Sprecher bestätigte gegenüber MedWatch, dass es in den letzten Tagen eine Hausdurchsuchung bei Rivera gegeben hat.

 

Verhaftet wurde die Amerikanerin, die in Deutschland lebt, nicht. Dies war in einigen Telegram-Gruppen behauptet worden. Rivera wirbt seit Jahren über unterschiedliche Social-Media-Kanäle für dubiose Nahrungsergänzungsmittel und vor allem für das gesundheitsgefährliche Desinfektionsmittel Chlordioxid.

„Das Verfahren läuft“, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bislang habe sich Rivera noch nicht weiter zu den Vorwürfen verhalten. Ihre Posts in Blogs und Telegram-Gruppen, mit denen Rivera bis zuletzt das gesundheitsgefährliche Chlordioxid beworben hatte, sind derzeit nicht mehr aktiv.

 

Laut Rivera helfe Chlordioxid, das in Kreisen auch MMS (Miracel Mineral Supplement) genannt wird, in der Behandlung von Autismus. Rivera gibt dazu sogenannte Protokolle an Eltern heraus. Im Verlag von Jim Humble, einem ehemaligen Scientologen, ist ihr Buch „Autismus heilen“ erschienen. Hier heißt es:

In den sieben Monaten seit dem Erscheinen der ersten Auflage von „Autismus heilen“ haben 22 weitere Kinder ihre Autismusdiagnose verloren und den Status „gesund“ zurückerlangt, bisher insgesamt 115 Kinder, Tendenz steigend. Hunderte anderer Kinder haben dank dem hier beschriebenen Protokoll weniger ATEC-Punkte und weisen viele kognitive, verhaltensbezogene, emotionale und körperliche Verbesserungen auf.

Seit Jahren gibt es Warnungen von Behörden, dass die Einnahme von MMS für den Menschen schädlich ist. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat mehrere schwere Nebenwirkungen dokumentiert und auch Todesfälle, berichtete bereits 2018 das Magazin Konstraste gemeinsam mit dem STERN und MedWatch. Eltern von autistischen Kindern wurden zur Behandlung Einläufe mit der Chemikalie empfohlen.

 

MMS ist kein Arzneimittel, es ist nicht in hochwertigen Studien geprüft und danach zugelassen, erklärte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 2014, von einer Einnahme wird abgeraten. Zuvor hatte bereits das Bundesinstitut für Risikobewertung gewarnt. MMS ist eine hochreaktive chemische Verbindung aus Chlor und Sauerstoff: Chlordioxid. Es hat eine stark oxidative Wirkung. Auf Haut und Schleimhaut wirkt es reizend bis ätzend. Industriell wird es als Mittel zur Desinfektion sowie zum Bleichen verwendet. Es ist ein giftiges Gas mit stechendem, chlorähnlichem Geruch.

 

Die Chlordioxid-Irrlehre bringt die Kinder in Gefahr. Eltern auf der ganzen Welt hielten sich an die Empfehlung, regelmäßige Einläufe mit der ätzenden Chemikalie zu machen. Diese sollen angebliche Würmer und Parasiten aus dem Darm holen – die Ergebnisse posten die Eltern im Internet.

Bernd Mühlbauer, Leiter des Instituts für Pharmakologie Bremen, erklärte gegenüber Kontraste: „Ich finde, das ist eine Kindeswohlgefährdung. Das ist ein traumatisches Erlebnis mit diesen Einläufen. Es ist gleichzeitig das Einflößen einer ätzenden Substanz in ein empfindliches Organ. Die Darmschleimhaut kann geschädigt werden und das auf der Basis völlig fehlender wissenschaftlicher Grundlagen.“

MedWatch hat Kerri Rivera um eine Stellungnahme gebeten, doch ihre Mail-Adresse ist ebenfalls nicht mehr aktiv.